Call for Papers: Gegenwart und Zukunft sozialer Dienstleistungsarbeit Chancen und Risiken der Digitalisierung in Sozialer Arbeit, Pflege und Erziehung

Vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft mit ihren sozialen Problemen und einer zunehmenden Frauenerwerbstätigkeit, nimmt häusliche Betreuung ab und soziale Dienstleistungen in der Pflege, Erziehung und Sozialen Arbeit werden zunehmend nachge- fragt. Der wachsende Bedarf an Beschäftigten, kann jedoch vielerorts nicht gedeckt werden. Die Sozialwirtschaft steht aktuell, neben dem Fachkräftemangel, vor einer zweiten zentralen Herausforderung – der digitalen Transformation.

Im Zuge dieser Entwicklung verändern Technologien, wie Computer, Smartphones, Roboter oder Software das alltägliche Leben und Arbeiten umfassend. Großeltern chatten mit ihren Enkeln am Smartphone – große räumliche Distanzen überwindend – und Navigationssys- teme ermöglichen ambulanten Pflegekräften sich im unbekannten Terrain zielsicher zum neuen Klienten zu bewegen. Mit der fortschreitenden digitalen Entwicklung verändern sich nicht nur digitale Produkte oder Formen des Wirtschaftens, sondern beispielsweise kulturelle Kommunikationsgewohnheiten der Klientinnen und Klienten sowie Rahmenbedingungen der Arbeit in der Sozialwirtschaft.

Dienstleistungen im Bereich der Sozialen Arbeit, Pflege und Erziehung zeichnen sich durch intensive Beziehungsarbeit und direkte Interaktion mit ihren Adressatinnen und Adressaten aus. Wie verändert sich diese soziale Dienstleistungsarbeit durch die digitale Transforma- tion?

Verglichen mit der industriellen Produktion, haben digitale Systeme die alltägliche Arbeitspra- xis sozialer Dienstleistungen weniger intensiv durchdrungen. Nichtsdestotrotz finden digitale Technologien immer mehr Einzug: In der Pflege eingesetzte Sensoren registrieren beispiels- weise Stürze, sprachgesteuerte Dokumentationssysteme und fahrerlose Transportsysteme sind bereits in Betrieb. Auch in der Sozialen Arbeit findet das Thema Digitalisierung zuneh- mend wissenschaftliche Beachtung. Erprobt und auf ihre Chancen und Risiken hin diskutiert werden soziale und digitale Medien, Online-Beratung, Mobiles Lernen, digitale Spiele und Geocaching in der Arbeit mit Klientinnen und Klienten. Medienpädagogische Konzepte, fin- den von der Kindertagesstätte bis zur Kinder- und Jugendhilfe bereits Verwendung.

Auch wenn digitale Technologien aktuell vor allem als Dokumentations- und Abrechnungs- systeme genutzt werden, wäre eine weitergehende zukünftige Nutzung durchaus denkbar. Beispielsweise wird Big Data für die Risikofolgenabschätzung der Kindeswohlgefährdung in den USA und Australien eingesetzt und in einigen Bundesländern Programme zur Täter- und Risikoprognose im Bereich der Bewährungshilfe verwendet. Weiter sind Therapieroboter be- reits entwickelt, die als unterstützende oder autonome Maschine, mit Gelähmten Übungen machen und Demente und Autisten mit Fragen herausfordern: Ein bekanntes Beispiel ist der robbenförmige Paro, der etwa von Dementen gestreichelt wird, ihren Namen versteht und ihre Gefühle durch Geräusche und Bewegungen ausdrückt. Verbunden mit dem Einsatz von solchen digitalen Systemen sind jedoch Fragen des Datenschutzes, staatsbürgerlicher Rechte und der informationellen Selbstbestimmung. Denn intelligente Systeme wie Therapie- roboter und Informationstechnologien sammeln personenbezogene Daten, die Hard- und Softwarekonzerne zu Personenprofilen zusammenfassen, ohne die Daten- und Berech- nungsgrundlagen offen zu legen.

Bereits etablierte oder bevorstehende technologische Entwicklungen können die Praktiken der Sozialen Arbeit verändern, Entscheidungshilfen oder Richtwerte generieren wie auch Be- ratungssituationen verändern. Ferner entstehen durch den digitalen Wandel veränderte Handlungsfelder der Sozialen Arbeit, wie Computer- und Online-Spielsucht, Cyber Mobbing oder Verschuldung durch In-App-Käufe.

Ziel der Konferenz ist, die Praxis der sozialen Dienstleistungsarbeit im Kontext des digitalen Wandels zu analysieren. Sie soll Gelegenheit bieten, die Verwendung digitaler Technologien in beruflichen Alltagspraktiken in verschiedensten sozialen Feldern vergleichend in den Blick zu nehmen und den Einfluss des digitalen Wandels auf die Berufspraxis, die Profession so- wie die Arbeit mit Klientinnen und Klienten zu reflektieren.

Vertreterinnen und Vertreter der Sozialarbeitswissenschaft, Pädagogik, Soziologie, Psycho- logie, Pflege-, Diakonie-, Wirtschafts- und Geschichtswissenschaften sind herzlich eingela- den, ihre Perspektive auf vergangene, gegenwärtige und zukünftige digitale Praktiken in der sozialen Dienstleistungsarbeit vorzustellen. Auch Studierende, die von Ergebnissen ihrer Qualifizierungsarbeiten (Bachelor, Master) berichten, sind willkommen. Wir freuen uns insbe- sondere über empirische (gerne ländervergleichend) sowie theoretische Beiträge.

Neben der Konferenz, die am 12. und 13. März 2020 in Nürnberg stattfindet, können Sie sich für die Forschungswerkstatt am Vortag anmelden, in der Techniken zur Interviewführung er- lernt und eingeübt werden.

Bitte senden Sie bis zum 6. Dezember 2019 Ihren Vortragsvorschlag in Form eines Abstracts mit maximal 300 Wörtern an Carolin Freier: Carolin.Freier@evhn.de

Für weitere Informationen: CfP_Gegenwart und Zukunft der sozialen Dienstleistungsarbeit_EVHN