Social Work Case Management
Für die Soziale Arbeit ist Case Management sowohl als Verfahren wie auch als Organisationskonzept interessant: Als Verfahren, weil es die Person mit komplexem Unterstützungsbedarf ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt und einer bestimmten Choreografie folgt; als Organisationskonzept, weil der individuelle Unterstützungsbedarf quer zu sektoralen und spezialisierten Logik sozialstaatlicher Leistungsen steht und die Organisationen zur Kooperation verpflichtet.
Social Work Case Management ist für uns aus vielen Gründen besonders anregend und inspirierend. Es wurde in den USA von unseren Kolleg:innen entwickelt (NASW) und stellt die Person mit Unterstützungsbedarf konsequent in den Mittelpunkt des Geschehens. Der sozialarbeiterische Anspruch auf eine mehrdimensionale und multiperspektivische Beurteilung der Lebenssituation der KlientInnen, sowie auf Hilfen, die sich an den Bedürfnissen, Stärken, Ressourcen, lebensweltlichen Bedingungen und Zielen des:der Klient:in orientieren, findet sich in diesem Case Management Konzept wieder.
Social Work Case Management ist in unserem Verständnis ein Case Management, das nicht in erster Linie einem koordinierten Vorgehen einzelner Organisationen dient, sondern das die Logik individueller Notlagen zum zentralen Kriterium der Organisation von Hilfen macht. Dass damit der Mitteleinsatz effizienter wird, ist ein durchaus erwünschter Nebeneffekt, nicht aber das zentrale Kriterium für die Beurteilung des Erfolgs.
Social Work Case Management ist ein Konzept, das nicht isoliert als Methodik der Hilfe im Einzelfall funktionieren kann, sondern das die Schaffung institutioneller und rechtlicher Rahmenbedingungen voraussetzt.
2019 haben wir ein Positionspapier veröffentlicht, in dem wir Standards für die Umsetzung von Social Work Case Management formulieren.
Case Management findet auch in Österreich breite Anwendung. Dabei ist jedoch festzustellen, dass in Gesetzen, bundesweiten Programmen und Konzepten der Terminus Case Management häufig nicht näher erläutert wird. Nachdem der Begriff Case Management weder einheitlich definiert noch geschützt ist, verwundert es nicht, dass in der Praxis eine breite Palette ganz unterschiedlicher und teils divergierender Anwendungsmodelle festzustellen ist. Wir stehen für die konsequente Weiterentwicklung eines Social Work Case Managements.
Unsere Arbeit
Die AG Case Management der ogsa steht allen offen, die
- am fachlichen Diskurs des Case Managements interessiert sind;
- an der Weiterentwicklung von fachlichen Standards des Case Managements in der Tradition der Sozialen Arbeit teilhaben wollen;
- für die Sensibilisierung von Entscheidungsträger*innen für professionelle und fachliche Positionen eintreten wollen;
- neugierig auf die Arbeit innerhalb der AG sind.
Seit der Veröffentlichung des Positionspapiers zu Standards für ein Social Work Case Management arbeiten wir an unterschiedlichen Vorhaben und Projekten. Die Ausdifferenzierung unserer Tätigkeiten hat uns veranlasst, bestehende Formen unserer Arbeitsorganisation zu überdenken und neue Formate der Kooperation zu erproben. Aktuell kann die Mitwirkung an der AG – neben der Teilnahme an unseren Workshops bei ogsaTagungen und ogsaForen – in zwei Formaten erfolgen: Jour-Fixe der AG und Circles der AG.
Fachgespräch der AG
Das ‘Fachgespräch’ findet bei Bedarf, maximal alle zwei Monate, statt, es widmet sich ausgewählten Schwerpunktthemen. Das Fachgespräch wird als virtuelle Fachveranstaltung konzipiert. Inputs von Anwender:innen, Forscher:innen, Fachexpert:innen sollen die Diskussion der Teilnehmer:innen befördern. Auf Wunsch wird eine Teilnahmebestätigung ausgestellt. Darüber hinaus erfolgen im Fachgespräch Berichte aus aktuellen und Planungen neuer Circles.
Circles der AG
Seit 2021 organisieren wir uns in agilen Circles/Kreisen. Diese bieten uns folgende Vorteile und Chancen:
- Circles bieten flexible Formate für die Arbeit an aktuellen Interessen und Bedarfen.
- Eine themenfokussierte Auseinandersetzung kann gewährleistet werden.
- Die Intensität des Engagements der Mitwirkenden kann individuell und/oder im Zeitverlauf variieren. Personen können an so vielen Circles teilnehmen, wie sie wollen.
- Ein projektbezogenes Engagement an Circles ist möglich, ohne sich zu allen Agenden der AG verpflichten zu müssen.
- Circles bieten die Möglichkeit sich Themen sowohl zeitlich befristet als auch langfristig zu widmen.
- Circles bieten einen Rahmen für interdisziplinäre Diskurse.
Die Circles arbeiten selbstständig an ihren Vorhaben und Zielen und geben sich eine Struktur, um ihren Zweck bestmöglich zu erfüllen. Circles entsenden eine:n Sprecher:in, der:die für die Anbindung an die AG in ihrer Gesamtheit sorgt. Der:die Sprecher:in informiert über aktuelle Diskurse, (Teil)Ergebnisse, Mitwirkende und ist Ansprechpartner:in für Interessent:innen am Circle.
Mit Stand Oktober 2023 bestehen folgende Circle:
Praxiscircle: In diesem Circle tauschen sich Anwender:innen virtuell zu ausgewählten Praxisfragen aus. Die Termine stehen allen Interessierten offen, um eine Anmeldung mittels Online-Formular wird ersucht. Die nächsten Praxis-Circle sind erst wieder im Jahr 2025 geplant.
- Kontakt: nutzen Sie bitte unsere eMail-Adresse, rechts unten.
Materialien für die Selbstevaluation von Case Management Organisationen: Diese Materialien wurden 9/24 zum Download zur Verfügung gestellt. Koordinator:innen waren
- Karin Goger und Christian Tordy
Der Veröffentlichung vorausgegangen sind 8 Jahre intensive Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Stakeholdern: Vertreter:innen der ÖGCC genauso wie Student:innen der Fachhochschulen der Sozialen Arbeit, Teilnehmer:innen an Fortbildungsveranstaltungen und, aus unser Sicht besonders erfreulich, Mitarbeiter:innen von Case Management Organisationen bei Inhouse-Schulungen in ihren jeweiligen Organisationen. Deren Rückmeldungen und Beiträge sind in das jetzt veröffentlichte Papier eingeflossen. Lesen Sie mehr. Den Download finden Sie rechts auf dieser Seite.
Was Experten und Expertinnen zu den Standards sagen
Mit der Erstellung der ersten deutschsprachigen „Standards für Social Work Case Management“ ist es auf beeindruckende Art und Weise gelungen den sozialarbeiterischen Kern des Case Managements zu reaktivieren. Die Kolleginnen und Kollegen der OGSA haben eine wichtige Konturierung des Social Work Case Managements vorgenommen, die die Unterschiede zu den mittlerweile weit verbreiteten gesundheitswissenschaftlichen und ökonomischen verstandenen Case Managementansätzen deutlich machen. Es handelt sich ohne Zweifel um einen wichtigen Beitrag in der Diskussion zum Sozialarbeiterischen/ Social Work Case Management.
Prof. Dr. phil. Matthias Müller, Diplom-Sozialarbeiter/-Sozialpädagoge, Soziologe, Case Manager / Case-Management-Ausbildner (DGCC), zertifizierter systemisch- lösungsorientierter Coach und Supervisor (SG), Dialogischer Qualitätsentwickler (KK); Professor für Pädagogik, Sozialpädagogik und Hilfen zur Erziehung sowie Studiengangsleiter des BA Studiengangs Berufspädagogik an der Hochschule Neubrandenburg; zusammen mit Prof. Dr. Corinna Ehlers Sprecher der Fachgruppe „Case Management in der Sozialen Arbeit“ der DGCC und der DGSA
Unter der Bezeichnung Case Management wird heute vieles angepriesen, was bei genauerer Prüfung wenig mit echtem Case Management zu tun hat. Die Idee von sozialarbeiterischem Case Management ist, Hilfen verschiedener Systeme so zu koordinieren, dass sie tatsächlich den individuellen Bedürfnissen der KlientInnen entsprechen. Die Standards, die von der AG Case Management in der Österreichischen Gesellschaft für Soziale Arbeit (ogsa) ausgearbeitet wurden, fassen zusammen, wie diese Methode zum Nutzen der KlientInnen eingesetzt werden kann. Sie sind ein unverzichtbares Hilfsmittel beim Aufbau von CM-Projekten, und sie bieten eine gute Folie für Evaluation und Diskussionen über die Weiterentwicklung. Die ogsa als die fachwissenschaftliche Gesellschaft der Sozialen Arbeit legt damit ein richtungweisendes Papier für die Gestaltung von Hilfeprozessen vor, das weit über die Sozialarbeit hinaus Beachtung finden sollte.
Prof. Dr. Peter Pantucek-Eisenbacher, Sozialarbeiter, Soziologe, Supervisor, Case-Management-Ausbildner (DGCC); lehrt und forscht zu Theorie und Methodik Sozialer Arbeit; Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Soziale Arbeit (ogsa), Rektor der Bertha von Suttner Privatuniversität St. Pölten
In die vorliegenden Standards sind präzisierte Gesichtspunkte zur Arbeit mit CM eingearbeitet, die bisher teilweise in den Fachöffentlichkeiten recht unterschiedlich ausgelegt wurden. Schließlich bedanke ich mich als Praktiker des CM bei den AutorInnen für die Initiative, mit nicht zu unterschätzendem zeitlichen und organisatorischem Aufwand (endlich) entsprechende Grundlagen eines SWCM erarbeitet zu haben. Die Standards setzen neben vielen inhaltlichen Festlegungen auch einen verbindlichen ethischen Maßstab, der “in Zeiten wie diesen” nicht verloren gehen darf…
DSA Christian Tuma, Wiener Berufs Börse
Der Diskurs und die Orientierung an fachlichen Standards des Case Managements helfen in der täglichen Arbeit, aber auch in der sicheren Positionierung im innerbetrieblichen Spannungsfeld zwischen den Unternehmenszielen und unserer fachlichen Grundhaltung.
DSA Harald Voitl, MSM: Diplomsozialarbeiter, Sozialmanager, Case Manager (ÖGCC); Verantwortlicher für das erste Pilotprojekt zur Betrieblichen Wiedereingliederung im ÖBB Konzern, Strategische Leitung und Koordination der Betrieblichen Wiedereingliederung bis Ende 2017
Publikationen der AG-Mitwirkenden zu Case Management
Engel-Unterberger, Christina (2019): Überlegungen zum Potenzial der Systemebene im Case Management. In: Case Management in der Sozialen Arbeit. Zeitschrift für Soziale Arbeit in Österreich, Ausgabe 4/19, 19-24.
Goger, Karin (2019): Begegnung, um Beziehung zu organisieren. In: Stärkenorientiertes Case Management in der psychiatrischen Versorgung von Hard-to-reach-Klient*innen. Themenheft: ‚Klinische Sozialarbeit – Zeitschrift für psychosoziale Praxis und Forschung, 10-12.
Goger, Karin / Engel-Unterberger, Christina (2019): Die Arbeitsgemeinschaft „Case Management“ der ogsa. In: Case Management in der Sozialen Arbeit. Zeitschrift für Soziale Arbeit in Österreich, Ausgabe 4/19, 26-28.
Goger, Karin / Mader, Gertrude (2019): Kooperative Hilfeplanung in der Kinder- und Jugendhilfe Steiermark. In: Case Management in der Sozialen Arbeit. Zeitschrift für Soziale Arbeit in Österreich, Ausgabe 4/19, 37-43.
Goger, Karin / Tordy, Christian (2018): Praxis des Case Managements in Österreich. In: Soziale Arbeit, Zeitschrift für soziale und sozialverwandte Gebiete, September-Oktober 2018, 67. Jahrgang, 373-382.
Goger, Karin / Tordy, Christian (2019): Standards für Social Work Case Management, Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft der Österreichischen Gesellschaft für Soziale Arbeit. https://www.ogsa.at/wp-content/uploads/2018/12/ogsa_Standards-f%C3%BCr-Social-Work-Case-Management.pdf
Goger, Karin / Tordy, Christian (2019): Die Implementierung von Case Management in der Kinder- und Jugendhilfe Steiermark. – Ein Artikel aus der Perspektive von OrganisationsberaterInnen. In: Ehlers, Corinna / Lehmann, Denise (Hrsg.) (2019): Implementierung und Entwicklung von Case Management. Praktische Tipps zur Umsetzung von Case Management in Humandiensten. Heidelberg: medhochzwei, 67-112.
Jakob, Astrid (2019): Standards für ein Social Work Case Management. In: Case Management in der Sozialen Arbeit. Zeitschrift für Soziale Arbeit in Österreich, Ausgabe 4/19, 10-12.
Lichtenthäler, Claus-Clemens / Böhm, Reinhard (2019): Case Management im ÖBB-Konzern. In: Case Management in der Sozialen Arbeit. Zeitschrift für Soziale Arbeit in Österreich, Ausgabe 4/19, 29-36.
Meusburger, Manuela (2020): Umgang mit Konflikten in der Case Management-Praxis: Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung. In: Zeitschrift für Soziale Arbeit in Österreich, Ausgabe 1/20, 38-42.
Tordy, Christian (2019): Case Management: Wenn sich gute Sozialarbeit rechnet. In: Case Management in der Sozialen Arbeit. Zeitschrift für Soziale Arbeit in Österreich, Ausgabe 4/19, 13-18.
Tordy, Christian / Goger, Karin (2021): Case Management in a Nutshell. Ergotherapie, 1/2021, 15-19.
Tuma, Christian (2019): „Wos woar mei Leistung?“. In: Case Management in der Sozialen Arbeit. Zeitschrift für Soziale Arbeit in Österreich, Ausgabe 4/19, 44-47.